ERZählungengestern, heute, morgen

Warum gibt es das Projekt?
Aufgrund einer Zunahme und Verbreitung von Verschwörungsideologien sowie den zunehmenden Versuchen, demokratische Werte zu schwächen oder sie sogar abschaffen zu wollen, setzen wir bei einer intensiven Auseinandersetzung mit Einstellungen zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, also abwertende und ausgrenzende Einstellungen gegenüber Menschen, und Verschwörungserzählungen an.

Zur Wahrung der Demokratie und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten wir mit unserem Projekt einen Beitrag zur Schaffung nachhaltiger, regionsverbundener, langfristiger und kreativer Gesprächs- und Handlungsräume, in denen die Menschen vor Ort einbezogen werden. Zudem intensivieren und stärken wir die Vernetzung zwischen Aktiven aus Kunst & Kultur, Politik, Verwaltung, Wissenschaft und der demokratischen Zivilgesellschaft.
Warum der Erzgebirgskreis?
Auch wenn wir im ganzen Bundesgebiet antidemokratische Tendenzen und offenen Rechtsextremismus feststellen können, hebt sich die Situation im Erzgebirgskreis als besonders alarmierend hervor. Spätestens seit den 1990er-Jahren ist er ein stabiles Umfeld für (Neo)Nazis. Rassistische, antisemitische und frauenfeindliche Strukturen und Denkweisen konnten sich hier etablieren und beeinflussen nachfolgende Generationen bis heute, sodass Verschwörungsnarrative und -erzählungen reproduziert und weitertragen werden. Vom Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen als rechtsextrem eingestufte Personen und Gruppen haben sich dies zu eigen gemacht und sehen zunehmend die Chance, hier im abgehängten ländlichen Raum, demokratische Handlungen und Werte zu untergraben und Einstellungen zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit politisch zu instrumentalisieren bzw. zu bestärken.

Dieses Handeln und Denken ist weder nur örtlich zu betrachten noch einseitig themenspezifisch. Nichtsdestotrotz gibt es sogenannte “Hotspots” und Besonderheiten an konkreten Orten, die sich aufgrund der lokalen Historie, Transformationsprozessen und weiteren Entwicklungen bildeten. Meistens beruhen sie auf menschenverachtenden und diskriminierenden Narrativen und Verschwörungsideologien.

Genau hier setzt das Projekt ERZählungen – gestern, heute, morgen an: ausgehend vom Namen des Projektes betrachten wir Geschehenes, Aktuelles und die Zukunft eines demokratischen Miteinanders im Erzgebirgskreis.
Was passiert im Projekt?
Insgesamt gliedert sich das Projekt in fünf kleinere Projekte, genannt Mikroprojekte, welche sich auf verschiedene Schwerpunkte im Themenkomplex von Verschwörungsnarrativen und -erzählungen fokussieren. Zu Beginn eines jeden Mikroprojektes führen wir eine örtliche Zukunftswerkstatt mit einschlägigen Akteur*innen im Tätigkeitsbereich durch. Dazu laden wir Kooperationspartner*innen und Expert*innen ein und vermitteln themenspezifische Aspekte, entwickeln gemeinsam Visionen für die Ausgestaltung von Formaten sowie möglichen bereichs- und zielgruppenübergreifenden Maßnahmen für die Zukunft. Anhand dieser verbinden wir Stimmen und Erfahrungen von Akteur*innen von vor Ort und gehen insbesondere den Fragen nach, wie die Ausgangslage in den verschiedenen Themenbereichen ist, wie sich der Erzgebirgskreis im zivilgesellschaftlichen, demokratischen Engagement und auf Politik- und Verwaltungsebene entwickeln soll und welche konkreten Schritte dafür notwendig sind, um antidemokratischen Entwicklungen entgegenzuwirken und den demokratischen Zusammenhalt zu stärken. Unabdingbar ist es deshalb, dass wir bei der Auswahl der Partner*innen und Aktiven bereichsübergreifend und divers einladen, damit neue Netzwerke entstehen und bestehende gestärkt werden. Wir fördern die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft, Politik & Verwaltung. So garantieren wir, dass verschiedene Expertisen, neue und vor allem nachhaltige Ideen entwickelt und Prozesse angeregt werden.

Im Förderzeitraum setzen wir themenspezifische Mikroprojekte an verschiedenen Orten im Erzgebirgskreis um:

  1. (Anti-)Feminismus & Geschlechterdemokratie – Annaberg-Buchholz,
  2. Rechtsextremismus – Aue Bad-Schlema,
  3. Fake News & soziale Medien – Oelsnitz, Thalheim, Neukirchen, Stollberg,
  4. Stereotype in der Handwerkstradition – Seiffen &
  5. Antisemitismus – Erzgebirgskreis

Wir ergründen, wie sich die Gesellschaften vor Ort entwickelt haben, welche Probleme & Sorgen sie heute haben und was es braucht, um verschwörungsideologisches Denken zurückzudrängen. Mit den verschiedenen Maßnahmen wie Erzählcafés, Gruppen- und Podiumsdiskussionen, wissenschaftlichen Befragungen und Workshops werden Akteurs- und themenübergreifend zusammenführende Antworten auf Geschichte, aktuelle Tendenzen und Ausblicke in die Zukunft erarbeitet.

Teilprojekte

– Projekt 1 –

(Anti-)Feminismus &
Geschlechterdemokratie

Ort: Annaberg-Buchholz
Zeitraum: März 2023 bis Oktober 2023

Projekt 1: (Anti-)Feminismus & Geschlechterdemokratie
Ort: Annaberg-Buchholz
Zeitraum: März 2023 bis Oktober 2023

In diesem Teilprojekt nehmen wir darauf Bezug, ergründen geschlechterdemokratische Facetten im Themenbereich, untersuchen das extrem rechte Narrativ des "Bevölkerungsaustausches". Vorurteile und teils menschenverachtende Denkweisen sollen aufgedeckt und ihnen tolerante, demokratische und feministische Denkweisen und Handlungsmöglichkeiten entgegengestellt werden.

Die gebürtige Annabergerin und mittlerweile in Leipzig lebende Künstlerin Michelle Seifert hat sich im Sommer 2023 in ihrer Heimat aufgehalten, ist mit Menschen vor Ort ins Gespräch gekommen und hat am Ende eine Wanderausstellung konzipiert, welche wir an verschiedenen Orten im Erzgebirgskreis zeigen. Michelle greift das Thema „Einsamkeit“ auf und hat mit Anwohnerinnen darüber gesprochen, welchen Einfluss beispielsweise Verantwortung, Fürsorge, Altersarmut & Isolation auf sie haben und welchen Chancen und Risiken sie ausgesetzt sind, welche Träume & Wünsche sie für die Zukunft haben.

Mehr erfahren

– Projekt 2 –

Deitsch on frei
wollmer sei

Ort: Aue-Bad Schlema
Zeitraum: Juli 2023 bis Dezember 2023

Projekt 2: Deitsch on frei wollmer sei
Ort: Aue-Bad Schlema
Zeitraum: Juli 2023 bis Dezember 2023

Dieses Projekt befasst sich mit der Frage, warum extrem rechte Gruppen und Parteien wie bspw. die FREIEN SACHSEN vor allem im Erzgebirgskreis so starken Zuspruch erhalten und ungestört mobilisieren können, weshalb sich Menschen von Parteien und politischen Vertreter*innen immer weniger gehört werden und (extrem) rechte Erzählungen attraktiv wirken.

Für die wissenschaftliche Begleitung einer Sozialraumanalyse, die das Kernstück dieses Projektes darstellt, erhalten wir beratende Unterstützung durch den Lehrstuhl Soziologie an der Technischen Universität Chemnitz. Gegenstand soll sein, zu untersuchen inwiefern lokale Spezifika, veraltete kollektive Selbstverständnisse sowie historische Erfahrungen dazu beitragen, dass Menschen die Gefahren durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Verschwörungsnarrative und antidemokratische, extremistische Ideologien nicht erkennen bzw. sich nicht davon abgrenzen.

Mehr erfahren

– Projekt 3 –

Fake News &
soziale Medien

Orte: Thalheim, Neukirchen, Stollberg, Oelsnitz
Zeitraum: zweites Schulhalbjahr 2024

Projekt 3: Fake News & soziale Medien
Orte: Thalheim, Neukirchen, Stollberg, Oelsnitz
Zeitraum: zweites Schulhalbjahr 2024

Bei diesem Mikroprojekt adressieren wir konkret die zukünftige Generation: Jugendliche und junge Erwachsene. Die, die sich vermehrt und eingehend mit neuen Medien und Formaten beschäftigen. Besonders hier ist eine sensible Herangehensweise im Umgang mit Verschwörungsideologien wichtig. Wir entwickeln, im Austausch mit Vertreter*innen von Bildungseinrichtungen und Lehrenden, ein Spiel bei dem Jugendliche selbständig lernen, welche Auswirkungen Lügen und Fake News auf die Gesellschaft haben und was es bedeutet, wenn Menschen demokratische Grundwerte einschränken wollen. Das Spiel wird kostenlos zum Download bereitgestellt werden.

Mehr erfahren

– Projekt 4 –

Handwerks- &
Bergbautradition

Ort: Seiffen

Zeitraum: 2024

Projekt 4: Handwerks- & Bergbautradition
Ort: Seiffen Zeitraum: 2024

Menschliches Zusammenleben und Denkweisen sowie konkrete Handlungsmechanismen entstanden im Lauf der Zeit, durch Entwicklungen der Gesellschaft & Wirtschaft, der örtlichen Kultur, durch Generationen von Konflikten. Der Erzgebirgskreis ist besonders für seine Handwerkskunst und die Geschichte des Bergbaus weltweit bekannt und nicht ohne Grund erhielt die Region 2019 den Titel UNESCO-Welterbe.

In diesem Projekt untersuchen wir die Entwicklung der typischen Holzfiguren, welche Geschichten sie erzählen (wollen), welche über sie erzählt werden und auch möchten wir wissen, welche Stereotype sich wie im Handwerk etablieren konnten. Aus diesem gewonnenen Wissen werden wir mit örtlichen Handwerker*innen eine neue Holzkunstfigur mit ihrer eigenen Geschichte erstellen.

Mehr erfahren

Projekt 5 –

Antisemitismus &
jüdisches Leben

Ort: Erzgebirgskreis

Zeitraum: 2024

Projekt 5: Antisemitismus & jüdisches Leben
Ort: Erzgebirgskreis Zeitraum: 2024

Verschwörungserzählungen stellen komplexe gesellschaftliche Themen als Teil einer „jüdischen Weltverschwörung“ dar und bieten antisemitische, antidemokratische und menschenverachtende Antworten und Lösungsvorschläge an, welche sich gegen Minderheiten oder demokratische Grundwerte stellen. Die Geschichte hat gezeigt, dass solches Denken und Handeln zu Dingen wie der NS-Diktatur, Verfolgung und Mord an Millionen von Menschen führen kann. Mindestens 6 Millionen Jüd*innen wurden zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialist*innen deportiert und ermordet. Seitdem ist jüdisches Leben in Deutschland kaum bis sehr wenig präsent, Zeitzeug*innen sterben aufgrund ihres hohen Alters, es kommt zunehmend zur Holocausleugnung oder -relativierung.

Die konsequente Aufarbeitung dieser Zeit darf nicht aufhören, junge und heranwachsende Menschen müssen gemahnt werden. Wir dürfen nicht vergessen und nicht wegschauen. Jüdisches Leben ist, nicht nur im Erzgebirgskreis, sondern in Deutschland und Europa, wenig bis kaum sichtbar. Um Geschichten und Biographien zum jüdischen Leben im Erzgebirgskreis wieder sichtbar zu machen, werden wir mit einer Projektgruppe Recherchereisen in Bibliotheken und Archive unternehmen und mit den Ergebnissen einen hör- und sichtbaren Rundgang durch das Erzgebirge erstellen.

Mehr erfahren

Podcast

Podcast

Begleitet wird das Projekt von einem Podcast, welcher in deutscher, englischer und tschechischer Sprache veröffentlicht wird. Damit schaffen wir eine höhere Erreichbarkeit und überregionale Strahlkraft, für die Maßnahmen und Ergebnisse des Projektes.

Mehr erfahren

Markt der demokratischen Möglichkeiten

Markt der demokratischen Möglichkeiten

Im letzten Quartal 2024 eröffnen wir ein großes Gesprächsangebot mit unseren Kooperationspartner*innen beim Markt der demokratischen Möglichkeiten. Mit Beantwortung unserer und gesellschaftlicher Fragen, in Kooperation mit Kunst und Wissenschaft möchten wir eine Zukunftsvision für das Erzgebirge festhalten. In dieser ist die demokratische Zivilgesellschaft über die Gefahren von Verschwörungsdenken, -narrativen und -ideologien aufgeklärt. Demokratie und ihre Werte werden als der Kern einer solidarischen Gesellschaft verstanden. Die Menschen des Erzgebirges sollen sich be- sowie gestärkt fühlen.

Mehr erfahren

Ansprechpersonen

Carolin Juler (Co-Projektleitung):
carolin@resonanzraum-erzgebirge.de
Joseph Walthelm (Co-Projektleitung):
joseph@resonanzraum-erzgebirge.de

Resonanzraum Erzgebirge e.V.

Friedrichstraße 25 A
09380 Thalheim/Erzgeb.

Telefon: 03721-3699803
E-Mail: vorstand@resonanzraum-erzgebirge.de